Die mauernden Söhne von Vater Abraham

Israel trotzt mit seinem Defensivfußball auch der Schweiz ein 1:1 ab und darf sich unvermindert Hoffnungen auf die zweite WM-Teilnahme machen. Derweil geraten die Eidgenossen immer mehr unter Duck und müssen bangen

BASEL taz ■ Mitten in seinen Ausführungen nach dem 1:1 der Schweizer Fußball-Nationalmannschaft gegen Israel stockte Jakob Kuhn. Der 62-Jährige Nationaltrainer suchte den Blickkontakt zu seinem Pressesprecher. „Es ist zu lang jetzt, oder?“, fragte er müde. Kopfschütteln. Der Köbi, wie ihn alle nennen, forschte also weiter nach den Gründen des für die Eidgenossen unbefriedigenden Ergebnisses, langsam redend und immer wieder tief seufzend. Von zu vielen unpräzisen Pässen, leichtfertigen Ballverlusten, der erfolgreichen Zermürbungstaktik des unbequemen Gegners und dem Fehlen von Kaltschnäuzigkeit war die Rede. Am Ende aber formulierte der Schweizer Nationaltrainer seine schlichte Wahrheit dieses gleichsam intensiven wie inhaltsleeren Fußballspiels: „Da gibt es einen gut getretenen Freistoß, einer hält die Rübe hin – und drin isser. Was gibt es da noch zu sagen?“

Der 1:1-Ausgleich durch den Kopfball von Adoram Keisi in der 20. Minute beim einzigen Torschuss der enervierend mauernden Gäste bedeutete einen herben Dämpfer für die Rot-Weißen auf dem Weg zur WM. „Jetzt wird es für uns natürlich immer schwieriger“, bilanzierte Kuhn mit letzter Kraft, bevor er das Podium im Presseraum des Basler St.-Jakob-Parks verließ. Es herrscht nun mehr Zweifel als Hoffnung aus Schweizer Sicht in der seltsamen Welt der WM-Qualifikationsgruppe 4. Denn die Reihe des unbeholfenen Remisierens unter den vier Favoriten ging am Samstagabend in Basel fröhlich weiter. Es war nun schon das neunte Unentschieden in den Begegnungen zwischen den Mannschaften aus der Schweiz, Israel, Frankreich und Irland. Das Resultat ist eine Tabelle, die hinterhältig offen lässt, wer am Ende die Nase vorne haben könnte. Bei noch drei ausstehenden Partien liegen die Schweiz, Irland und Frankreich derzeit mit 13 Punkten auf den ersten drei Plätzen, auf Rang vier lauert Israel mit 12 Zählern. Da die Mannschaft aus dem Nahen Osten aber nur noch zweimal gegen die Faröer Inseln antreten muss, sind wohl 18 Zähler die Messlatte für die begehrten ersten beiden Plätze. Deshalb muss am Mittwoch für die Schweiz unbedingt ein Sieg in Zypern her, bevor im Herbst die entscheidenden Spiele gegen Frankreich und in Irland anstehen.

Derweil gefreut hat das Unentschieden von Basel vor allem die durch die Rückkehr der Veteranen Zidane, Thuram und Makelele revitalisierten Franzosen. Ein leichtes 3:0 gegen die Faröer Inseln brachte die schwächelnde Equipe Tricolore wieder ins Rennen. Und natürlich Avraham Grant, den Trainer Israels. „Irgendwann wird die Serie der Remis reißen, vielleicht schon am Mittwoch, wenn Irland auf Frankreich trifft“, glaubt Grant und ist guter Dinge, dass sein Team davon profitieren wird.

Die Auswahl Israels darf derzeit getrost als die größte Nervensäge des internationalen Fußballs bezeichnet werden. Gegen diese lustvollen Piesacker von Grants Gnaden zu spielen, ist, als müsse man beim Zahnarzt eine Wurzelbehandlung ohne Betäubung ertragen: „Es tut weh“, wie der Schweizer Goali Pascal Zuberbühler diagnostizierte. „Die sind ja mit fünf Verteidigern aufgelaufen“, gab sich Mittelfeldspieler Tranquillo Barnetta auch noch dem Spiel noch erschrocken. Drei hünenhafte Innen- und zwei quirlige Außenverteidiger, davor drei aufsässige Zerstörer im Mittelfeld behinderten den Spielfluss der dauerballbesitzenden Schweizer notorisch. „Wir fanden einfach keine Lösung“, gab der ausgewechselte Spielmacher Hakan Yakin zu.

Das anachronistisch anmutende, ganz auf Defensive ausgerichtete Spielsystem und der vom väterlichen Trainer geförderte Zusammenhalt des Kaders macht es jedem Gegner schwer, diese Mannschaft zu besiegen. Der Traum von der zweiten WM-Teilnahme nach 1970 in Mexiko wird weiter geträumt. Auch der frühe Rückstand durch einen Abstauber von Torjäger Alexander Frei (5.) konnte das Kollektiv der „Söhne von Vater Abraham“ (Kapitän Nimny) nicht zum Auseinanderfallen bringen. Ein Lattenschuss von Frei in der 86. Minute und eine Zufallschance des Angreifers kurz nach der Pause blieben die einzigen Schweizer Tormöglichkeiten in der zweiten Halbzeit. Durch kluge Förderung feierte die Schweiz zuletzt große Erfolge im Nachwuchsbereich. Am Samstag aber wurde deutlich, dass der jungen Generation noch die Ruhe fehlt, massive Abwehrreihen mit Geduld auszuhebeln. TOBIAS SCHÄCHTER